Das Panel mit dem Münhner Stadtrat (vl.): Festival-Moderatin Caro Matzko, Manuel Pretzl, Fraktionsvorsitzender CSU/FW im Münchner Stadtrat, Fritz Roth, Stadtrat FDP, Sebastian Weisenburger, Stadtrat Fraktion Die Grünen – Rosa Liste, Felix Sproll Stadtrat SPD/Volt-Fraktion und Magdalena Oehl, Founder TalentRocket & stellv. Vorsitzende Startup Verband.
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Munich Startup Festival: Hausaufgaben für den Stadtrat

Vier Fraktionen, vier Parteien, vier Meinungen? Auf dem Munich Startup Festival sprachen Vertreter des Münchner Stadtrats über die Herausforderungen des hiesigen Startup Ökosystems – was Moderatorin Magdalena Oehl prompt dazu nutzte, den Stadträten Hausaufgaben mitzugeben.

Startups pitchen ihre Ideen regelmäßig, und auch der Reverse-Pitch von InvestorInnen ist keine Seltenheit mehr. Auf dem Munich Startup Festival kam in diesem Jahr eine weitere Variante hinzu: Der Politiker-Pitch. Zu Beginn des Panels „Visionen für das Münchner Ökosystem: Fragen und Antworten aus dem Stadtrat“ durften die teilnehmen Stadträte – Manuel Pretzl, Fraktionsvorsitzender CSU/FW im Münchner Stadtrat, Fritz Roth, Stadtrat FDP, Sebastian Weisenburger, Stadtrat Fraktion Die Grünen – Rosa Liste, und Felix Sproll, Stadtrat SPD/Volt-Fraktion – in einem kurzen Pitch ihre Sicht auf und ihre Vision für das Münchner Startup Ökosystem vorstellen.

Aber was sind denn nun die großen Herausforderungen, die die Stadträte für Startups in München sehen? Und welche Möglichkeiten hat die Kommune überhaupt, hier etwas zu ändern?

Bürokratieabbau

Der erste Punkt in der Diskussion war die Bürokratie, oder vielmehr deren Abbau. Schon bei den Zukunftsvisionen erklärte Felix Sproll, dass er sich wünsche, dass ein Unternehmen künftig in wenigen Minuten unterwegs vom Smartphone aus gegründet werden könne. Ein Punkt, den Moderatorin Magdalena Oehl, Founder von TalentRocket und stellvertretende Vorsitzende im Startup Verband, nur zu gerne aufgriff. Denn auch aus Sicht des Verbands und der in ihm organisierten Startups sei die Bürokratie ein sehr großes Problem. Doch Änderungen, etwa die Einführung der digitalen Gewerbeanmeldung, dauerten oft sehr lange.

Woran das liege, erklärte Fritz Roth: In vielen Behörden, allen voran im KVR, herrsche keine Servicementalität, so seine Analyse. Die Formulare und auch deren Abarbeitung müssten endlich digitalisiert werden, smarte Lösungen sollten Einzug halten. Zudem herrsche eine zu große Risikoaversion, was Entscheidungsprozesse stark verlangsame. Ein Punkt, dem sich auch Sebastian Weisenburger anschloss. Er gab allerdings zu bedenken, dass Änderungen Zeit benötigen, auch, weil Organisationen wie die Menschen darin unterschiedliche Historien mit sich bringen. Manuel Pretzl ergänzte dies mit der Erklärung, dass Angestellte im öffentlichen Dienst oft ihre ganze Karriere dort verbringen – und sich somit noch einige daran erinnern könnten, wie das Fax einst eine Revolution darstellte.

Zugang zu Gewerbeflächen

Ein weiteres Problem ist der Münchner Dauerbrenner, die hohen Preise für Mieten – sei es gewerblich oder privat. Felix Sproll plädierte hier dafür, München nach oben zu erweitern. Und zwar weniger in Form neuer Hochhäuser, sondern durch Aufstockungen bestehender Gebäude. Egal ob Wohn- oder Gewerbebauten, ein zusätzliches Stockwerk oben drauf könnte schnell für zusätzlichen Raum sorgen. Auch hier sei bereits einiges angeschoben, doch wie beim Bürokratieabbau dauere es, bis die Beschlüsse Wirkung zeigten. Ironischerweise auch wegen der Bürokratie, wie Roth einwarf: Da eine Aufstockung verwaltungstechnisch schwieriger sei als ein Neubau auf der grünen Wiese gebe es gewisse „Trägheitselemente“, die diese Arbeit scheuten.

Festival-Moderatorin Caro Matzko, die für den erkrankten Bits-Gründer Bernd Storm van’s Gravesande als zweite Moderatorin des Panels eingesprungen war, sprach daraufhin die ominöse Regel an, laut der in München nichts höher gebaut werden dürfe als die Frauenkirche. Pretzl stellte klar, dass dieser Beschluss auf ein Bürgerbegehren zurückgehe und schon länger nicht mehr gelte. Trotzdem fühle sich so mancher weiterhin daran gebunden – auch, weil die MünchnerInnen immer wieder klar machten, dass sie keine Hochhäuser wollten.

Als weitere Mittel zur Linderung des Problems schlug Sebastian Weisenburger noch vor, die im Kunst- und Kulturbetrieb etablierten Zwischennutzungen auch auf Gewerbeimmobilien auszuweiten. Und Pretzl ergänzte noch, dass abseits der Innenstadtlagen die InvestorInnen und BesitzerInnen von Gewerbeimmobilien inzwischen wieder deutlich bereiter seien, flexibel auf die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen einzugehen.

Fachkräftemangel

Der allgegenwärtige Fachkräftemangel hatte im Panel gar einen doppelten Auftritt. Zum einen natürlich, als es darum ging, dass die Arbeitserlaubnis für hochqualifizierte Angestellte von Startups schneller kommen müsse. Zum anderen, als die Anzahl von Gründerinnen im Münchner Ökosystem angesprochen wurde. Magdalena Oehl wies darauf hin, dass dieser in der Landeshauptstadt bei nur 13 Prozent liege, während er bundesweit 20 Prozent betrage. Neben den Gründen hierfür – der Fokus auf MINT-Themen in der Münchner Szene wurde als eine Quelle für die Ungleichheit ausgemacht – ging es aber auch um die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was zum Mangel an Betreuungsplätzen und somit zum Mangel an Fachkräften für Kitas und Kindergärten führte.

An dieser Stelle zeigten sich auch die größten Unterschiede zwischen den Positionen der Fraktionen. Während sich Manuel Pretzl auf den beschleunigten Zugang für hochqualifizierte ArbeitnehmerInnen konzentrierte, betonte Felix Sproll, dass er dies für alle Arbeitskräfte wolle. Hier zeichne sich jedoch eine Lösung in Form eines Welcome Centers im KVR ab, wie Weisenburger ankündigte.

Open Data und Mentoring Programm

Ein weiterer Punkt, den die Stadträte ansprachen, war das Thema Open Data. Die Stadt habe viele Daten, etwa zu den Themen wie Mobility und Umwelt. Hier wünschte sich Felix Sproll, dass diese veröffentlicht und mehr mit Unternehmen geteilt werden.

Als einziger unter den Stadträten wagte zudem Fritz Roth den Blick auf andere Ökosysteme. Konkret richtete sich sein Blick auf Mainz, wo mit Biontech im Rücken ein starker Fokus auf Life Sciences besteht. Stadt und Land hätten eine klare Vision entwickelt, wie die Entwicklung über die nächsten Jahrzehnte aussehen soll. Hinzu kommen regelmäßige Veranstaltungen und ein Mentoring-Programm.

Hausaufgaben für die Stadträte

Zum Schluss appellierten die Stadträte noch einstimmig an die GründerInnen, sich doch mit ihren Anliegen bei den Fraktionen zu melden. Denn nur so könne die Politik wissen, was die Unternehmen brauchen, und mit ihnen ins Gespräch kommen, um gemeinsam Ideen und Lösungen zu entwickeln. Eine ganz konkrete Idee hatte dann auch Magdalena Oehl. Sie verpflichtete die Politiker darauf, sich eines der angesprochenen Themen auszusuchen, in dem sie jetzt – am besten gleich im Anschluss an das Panel – an Lösungen arbeiten. Felix Sproll sagte darauf hin zu, sich der Zugänglichkeit bei mehr Daten zu widmen, Sebastian Weisenburger nahm sich den Gewerbeflächen an, Fritz Roth wollte sich um ein Mentoringprogramm nach Mainzer Vorbild kümmern und Manuel Pretzl um die schnelleren unbürokratischen Genehmigungen.

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