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Preisverfall im Quotenhandel: Wie Ecoturn widrigen Umständen trotzt

Wer ein E-Auto fährt, spart im Vergleich zum Halter eines Verbrenners CO2 – und kann diese Einsparung dank der THG-Quote zu Geld machen. Doch die Prämien sind seit über einem Jahr im freien Fall, sie sanken von einst über 400 Euro auf aktuell rund 80 Euro. Für die Unternehmen im Zertifikatehandel ist dies ein Problem – so auch für das Münchner Startup Ecoturn mit seiner Plattform Elektrovorteil.de. Im Interview erklärt Gründer und CEO Marc Schubert was hinter dem Preisverfall steckt, wie sich sein Startup in dem veränderten Marktumfeld gehalten hat und was die Zukunft bringen soll.

Munich Startup: Als wir das letzte Mal gesprochen haben, habt Ihr gesagt, dass Ihr mit Ecoturn mehr Unternehmens-Kooperationen abschließen wollt. Das war allerdings, bevor sich Euer Markt komplett verändert hat. Was genau ist mit der THG-Quote passiert?

Marc Schubert, Ecoturn: Die THG-Quote (Treibhausgasminderungsquote) ist ein Instrument der Umweltpolitik, das darauf abzielt, die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Sie verpflichtet Unternehmen, die fossile Kraftstoffe in den Verkehr bringen, Emissionen zu senken. Dazu können die Mineralölkonzerne Kompensationsmaßnahmen ergreifen. Zum Beispiel durch Biokraftstoffe, die weniger CO2-intensiv sind als fossile Kraftstoffe oder durch den Zukauf von Elektroautozertifikaten. Wir als Elektrovorteil agieren als Poolingdienstleister zwischen den Besitzern von Elektrofahrzeugen und den Mineralölunternehmen. Dazu decken wir die komplette Abwicklung von der Beantragung der CO2-Zertifikate bis hin zur Zahlung der sogenannten THG-Prämie ab.

Im Jahr 2022 konnte man durch den Zertifikatehandel mit einem E-Auto noch 400 Euro Umsatz erzielen, während es heute nur noch etwa 80 Euro sind. Daher sind viele Unternehmen gezwungen, bis an ihre Grenzen oder sogar darüber hinaus zu wirtschaften, um den Kunden die höchstmögliche Prämie zu bieten. Der seit über 1,5 Jahren anhaltende Preisverfall wird hauptsächlich durch mutmaßlich betrügerische Klimaschutzprojekte im Ausland verursacht, wie kürzlich von investigativen Recherchen durch Frontal 21 berichtet wurde. Der europäische Quotenmarkt wird mit einem Überangebot aus China geflutet. Ein krasses Beispiel zeigt anstatt einem chinesischem Klimaschutzprojekt einen Hühnerstall. Aber es gibt auch klare Indizien für gepanschten „Biodiesel“, bei dem eigentlich in der EU verbotenes Palmöl als Ausgangsbasis für den fortschrittlich gedachten Kraftstoff verwendet wird. Umweltministerin Steffi Lemke spricht von schwerer Umweltkriminalität. Doch das Kind ist in den Brunnen gefallen, denn so schnell erholen sich die THG-Quotenkurse nicht wieder. Solche betrügerischen Aktivitäten gefährden nicht nur die Erreichung unserer Klimaziele, sondern schaden auch der deutschen Startup-Branche.

Bei Ecoturn hat Elektroautoquote einen festen Abnehmer

Munich Startup: Und wie hat sich das auf Euer Geschäft ausgewirkt?

Marc Schubert, Ecoturn: Für Startups ist die gegenwärtige Lage besonders kritisch. Zahlreiche junge Unternehmen, die im Bereich des THG-Quotenhandels tätig sind, sehen sich aufgrund der volatilen Marktbedingungen und des starken Preisdrucks existenziellen Bedrohungen ausgesetzt. Ohne schnelle und wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung des Marktes könnten viele innovative Startups gezwungen sein, ihre Aktivitäten einzustellen. Unser Geschäftsmodell war zum Glück von vornherein auf große Volumina und den höchstmöglichen Grad an Automatisierung ausgelegt. Wir haben viele Prozesse verschlankt und arbeiten auch weiter akribisch daran. Gleichzeitig haben wir unseren Marktanteil vergrößert. Wir haben unser Netzwerk im Bereich der quotenverpflichteten Unternehmen erfolgreich erweitert und frühzeitig langfristige Abnehmerverträge gesichert und spekulieren nicht auf mögliche Quoten-Verkaufspreise. Dadurch können wir garantieren, dass jede Elektroautoquote bereits einen festen Abnehmer hat. „Profitable per default“ sozusagen. Dies verhindert, dass wir – wie es anderen Unternehmen in der Vergangenheit passiert ist – am Ende des Tages ohne Abnehmer dastehen. Diese und weitere Maßnahmen sichern unsere Profitabilität und langfristige Stabilität.

Munich Startup: War es Euch unter diesen Umständen denn noch möglich, die geplanten Unternehmens-Kooperationen abzuschließen? Wie genau sehen diese denn aus?

Marc Schubert, Ecoturn: Ja, wie vorher erwähnt haben wir uns schon frühzeitig erfolgreich intern bemüht an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Gleichzeitig haben wir unsere Kooperationen ausgebaut. So findet man uns immer wieder bei namhaften Unternehmen in deren Sales-Journey. Ein Benefit für alle drei Parteien: Dem Kunden, der bequem mehrere Services nutzen kann, dem Partnerunternehmen, welcher das Produkt THG-Quote für seine Kunden als Akquisition und Retention Tool nutzen kann und schlussendlich auch für uns, wodurch unser Kerngeschäft ausgebaut wird. Außerdem skalieren wir in jeden weiteren Markt, welcher die THG-Quote in analoger Form verabschiedet. So sind wir beispielsweise seit letztem Jahr auch in Österreich ausgerollt. 

Ecoturn und andere Quotenplattformen gründeten Bundesverband

Munich Startup: Welche Handlungsmöglichkeiten hat man als Startup denn überhaupt, wenn sich der eigene Markt so radikal verändert?

Marc Schubert, Ecoturn: Einen tatsächlichen Einfluss in das Marktgeschehen haben wir im Vergleich zu den großen Konzernen selbstverständlich nur bedingt. Schon gar nicht im Alleingang. Daher haben wir uns bereits letztes Jahr mit einigen anderen Quotenplattformen zusammengeschlossen und den Bundesverband THG Quote e. V. gegründet. Unser Ziel dabei ist Interessenvertretung und politische Einflussnahme sowie Lobbyarbeit. Damit möchten wir ein Gegengewicht bilden. Es ist ein noch sehr junger Markt – durch proaktive Handlungen können wir versuchen, auch gemeinsam mit den Marktbegleitern einen fairen und nachhaltigen Marktplatz für den THG-Quotenhandel auszuarbeiten.

Außerdem konzentrieren wir uns auf unsere Stärken. Diese liegen in der Flexibilität. Solange diese gegeben ist, können wir als Team reagieren. Gleichzeitig ist der Ideenreichtum immens und sehr wichtig. Weiter kann man wie bereits erwähnt intern immer wieder Prozesse, Ausgaben etc. auf den Prüfstand stellen. Die Summe aus allem, sorgt am Ende für ein weiteres erfolgreiches Geschäftsjahr.

„Wir konzentrieren uns weiterhin auf unser Kerngeschäft“

Munich Startup: Wie macht ihr denn jetzt weiter?

Marc Schubert, Ecoturn: Wir konzentrieren uns weiterhin auf unser Kerngeschäft. Um unseren Kunden ein besseres und vollumfänglicheres Erlebnis zu bieten, haben wir in den vergangenen Monaten sukzessive verschiedene tolle Features released:

  1. So bieten wir beispielsweise eine IT-Schnittstelle für Ladeinfrastruktur und Flottensysteme. Diese API ermöglicht einen einfachen, automatisierten Datentransfer zur Beantragung der THG-Quote per Knopfdruck. So geht unseren Kunden keine geladene Kilowattstunde und auch kein PKW verloren.
  2. Weiter bieten wir eine Mandantenfunktion. Sie ermöglicht für Tochtergesellschaften oder im Namen anderer Gesellschaften differenziert die THG-Quote zu beantragen. Auch die Gutschriftenerstellung ist hier separiert.
  3. White-Label-Version: Im Rahmen einer Vertriebskooperation bieten wir auch eine White-Label-Version unseres Produkts an. Sie ermöglicht auch den Kunden unserer Kunden eine nahtlose Erfahrung rund um die Services im Bereich E-Mobilität.
  4. Exportfunktionen: Für Auswertungen und andere Nutzungsmöglichkeiten, bieten wir einige Exportfunktionen in den bekanntesten Formaten.

Selbstverständlich sondieren wir auch Möglichkeiten, unser Produktportfolio um weitere Services auszubauen. Weiteres folgt noch – gerne könnt ihr uns auf Linkedin folgen.

Munich Startup: Und wie sieht es finanziell bei Euch aus?

Marc Schubert, Ecoturn: Wir sind soweit gut aufgestellt. Als Firstmover waren wir in der komfortablen Lage, Reserven aufzubauen. Gleichzeitig sind wir aufgrund unserer Eigenfinanzierung unabhängig, da keine Bank oder Investoren als externe Stakeholder das tägliche Geschäft beeinflussen. Bei Bedarf bieten wir unseren Einzel- und Großkunden auch eine Direktzahlung der THG-Prämie als zusätzliches Geschäftsmodell an. Das können wir aus Eigenmitteln stemmen, da wir unsere Liquidität zu Beginn ausbauen konnten. In Kombination mit Automatisierungen und einem fähigen und zuverlässigen Team ist die aktuelle Situation positiv.

„Der Rollout in Österreich war nur der Anfang“

Munich Startup: Auf welche Milestones arbeitet Ihr als nächstes hin?

Marc Schubert, Ecoturn: Wir haben hinsichtlich der Jahresmenge ein ambitioniertes Ziel, schauen gleichzeitig auch schon auf das nächste Jahr und wollen uns selbst toppen. Weitere kundenfreundliche Services werden derzeit entwickelt und wir freuen uns, auch diese zeitnah allen Kunden bereitzustellen. Zuletzt war der Rollout in Österreich nur der Anfang und eine Art Versuch, auf einem anderen Markt aktiv zu werden. Sobald die Weichen für andere Länder gestellt sind, möchten wir uns auch diesen mit voller Energie widmen. Dies ist hoffentlich schon 2025 der Fall.

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Maximilian Feigl

Maximilian Feigl berichtet seit 2020 über das Münchner Startup Ökosystem. Dabei haben es dem studierten Politikwissenschaftler vor allem Deeptech-Themen angetan.

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