Der alte und der neue CEO bei der Übergabe des Staffelstabes: Tobias Wagner und Tobias Scharfen von Chargex
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Der neue Chargex-CEO Tobias Scharfen über seine Pläne und die Zukunft der E-Mobilität

Seit 2018 entwickelt und produziert Chargex Ladeinfrastrukturlösungen sowie Produkte für Elektrofahrzeuge. Anfang dieses Jahres holte sich das Münchner Startup einen neuen CEO an Bord: Mit Tobias Scharfen hat das Unternehmen einen Spezialisten mit einschlägiger Vertriebs- und Skalierungserfahrung gewonnen. Im Interview erzählt er, welche Pläne er für das Unternehmen hat und wie er die Entwicklung des E-Auto-Marktes einschätzt. Zudem gibt er Tipps für einen erfolgreichen Führungswechsel bei Startups.

Munich Startup: Tobias, Du bist seit gut einem halben Jahr CEO von Chargex und hast damit den Staffelstab von Mitgründer Tobias Wagner übergeben bekommen. Zuvor warst Du CSO des österreichischen Unternehmens Has-to-be, Anbieter eines Charge Point Management Systems, das 2021 für 250 Millionen Euro an das US-Unternehmen Chargepoint verkauft wurde. Danach hast Du mit Forward Concept eine eigene Beratungsfirma mit Fokus auf Startups der E-Mobilitäts- und Energiebranche gegründet, sowie die Branchenkonferenz „Charging Night“ ins Leben gerufen. Welche Pläne hattest Du für Chargex im Gepäck?

Tobias Scharfen, CEO Chargex: Zunächst sei gesagt, dass die Faszination, welche ich neben dem einen oder anderen Plan zum Start bei Chargex dabei hatte, vor allem darauf beruhte, dass Chargex über ein unkompliziertes und leicht skalierbares Produkt für die Immobilie, konkret für Wohnungswirtschaft und Gewerbeimmobilien verfügt. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Durchbruch des E-Autos massiv davon abhängt, ob der Konsument die Standzeit mit der Ladezeit kombinieren und entsprechend dort laden kann, wo er wohnt oder arbeitet. Chargex hat die Lösungen, um die Hürden, die den Aufbau von Ladeinfrastruktur in der Immobilienwirtschaft verhindern, zu überwinden.

Zurückkommend zu den Plänen – diese drehen sich im Wesentlichen darum, wie man dieses überlegene Produkt in breite Vertriebskanäle bringen kann, welche den direkten Zugang zu den potentiellen Kunden bzw. Gebäuden haben. Multiplikatoren sind notwendig, um in diesem fragmentierten Markt schnell voranzukommen. Denn als Startup ist Wachstum stets Priorität 1.

Munich Startup: Was hast Du diesbezüglich und generell verändern und umsetzen können?

Tobias Scharfen: Nach einer sehr intensiven Einarbeitung und viel Austausch mit den beiden Gründern ging es darum, die ersten organisatorischen und strukturellen Stellschrauben zu drehen. Ein Beispiel dazu ist die Etablierung eines Management Frameworks, welches Michael Masnitza (Co-Founder und COO) und ich kurzfristig etabliert haben.

Tobias Scharfen Chargex
Unser Interviewpartner, Chargex-CEO Tobias Scharfen. © Chargex

Veränderungen vor allem bei Sales und Marketing

Die wesentlichen Veränderungen sind aktuell in den Bereich Sales und Marketing. Denn die bisherige Kommunikation adressierte direkt den Endkunden vornehmlich im Small Medium Enterprise Segment. Nun sprechen wir Multiplikatoren aus den Bereichen Elektrikerfirmen, Facility Companies und generell die Immobilienwirtschaft an. Es ist ein Wechsel zum indirekten Vertrieb mit dem Konzept des “CPO-as-a-Service”. Wir ermöglichen damit unseren Partnerfirmen mit direktem Marktzugang als Ladeinfrastrukturbetreiber (= Charge Point Operator = CPO) aufzutreten, auch wenn diese über keine passende Lösung zu den komplexen Herausforderungen verfügen. Aber zusammen mit dem Chargex Lösungsportfolio haben sie alle Werkzeuge an der Hand, um jegliche Kundenwünsche im Bereich Elektroauto-Laden im Gewerbe und der Immobilienwirtschaft abzudecken.

Munich Startup: Wie steht es aktuell um Chargex? Wie steht Ihr finanziell da?

Tobias Scharfen: Zeiten der Veränderung erzeugen stets Aufregung im Team. Entsprechend sind wir sehr froh, dass die Motivation und die Leistung der Mannschaft nach wie vor ungebrochen hoch sind. Bei Chargex arbeitet ein Team aus einzigartigen Experten, die auch in unruhigeren Phasen Spitzenleistung bringen.

Auch finanziell ist die Firma stabil, unsere Investoren glauben an den neuen go2market und geben uns entsprechend budgetären Rückhalt zur Umsetzung der Transformation.

Der E-Auto-Markt aus der Sicht von Chargex

Munich Startup: Der Absatz von E-Autos geht aktuell wieder zurück. Was bedeutet das für Chargex?

Tobias Scharfen: Dass die Situation für uns sowie für die ganze Branche eine Herausforderung ist, kann nicht schöngeredet werden. Der Absatz von Ladeinfrastruktur ist direkt von der Verbreitung von E-Autos abhängig. Wir sind weiterhin in unserer „Kernnische“ der SME-Gewerbeimmobilien in Deutschland sehr erfolgreich, dennoch muss das Wachstum aus den neuen Vertriebsansätzen und gegebenenfalls aus neuen Märkten kommen. Mit international operierenden Partnern aus der Facility- und Immobilienwirtschaft besteht die Möglichkeit schnell zu internationalisieren, was auch Teil der neuen Vertriebsstrategie ist.

Munich Startup: Und wie schätzt Du die längerfristige Entwicklung des Marktes ein?

Tobias Scharfen: Für mich ist unstrittig, dass jede Form der Mobilität auf der Straße künftig elektrisch sein wird. Entsprechend stehen wir kurz vor der Welle und die Transformation wird kurzfristig wieder Fahrt aufnehmen.

Tipps für eine gelungene Übergabe

Munich Startup: Ein Führungswechsel ist für Startup etwas Besonderes, vor allem wenn sich dabei GründerInnen zurückziehen. Welche Tipps kannst Du Startups mit Deiner jetzigen Erfahrung geben, damit der Übergang funktioniert?

Tobias Scharfen: Entscheidend für den für mich sehr gut gelaufenen Übergang ist zunächst das Verhalten der Gründer. Tobias und Michael haben ausgesprochen konstruktiv und vollkommen frei von Befindlichkeiten den Übergang gestaltet, haben kritische Diskussionen mit mir geführt und ehrlich und offen Stärken und Schwächen der Firma besprochen.

Weiterhin empfiehlt es sich aus meiner Sicht, respektvoll und umsichtig den bisherigen Kurs gemeinsam mit dem Team einer Retro zu unterziehen und die Veränderungen gemeinsam zu erarbeiten. Eine Firma wie Chargex kann nur auf Basis eines tollen Produktes, einer hoch performanten Mannschaft und sehr vieler richtiger Entscheidungen entstehen.

Wenig überraschend und dennoch oft unterschätzt: Communication is key. Nur mit Transparenz und einer offenen Feedback-Kultur kann in einer derartigen Veränderungsphase schnell und effizient ein neuer Kurs eingeschlagen werden.

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